Mein bis dato unveröffentlichtes Buchmanuskript erzählt über Friedrich Wilhelm II.,
über die Geheimnisse seines „Neuen Garten“ in Potsdam und über eine wundersame
Begegnung mit Wolfgang Amadeus Mozart.

Es war einmal …     

… ein preußischer König, der sich mehr als alles andere der Sinnlichkeit ergab. Stets trug er die eleganteste Kleidung, genoss die feinsten Speisen. Er liebte das weibliche Geschlecht, gleich welchen Standes, und ließ sich inspirieren vom Zauber der Natur. Gesegnet mit vortrefflichem Geschmack, erfreute er sich an allen Künsten und beherrschte meisterlich das Cellospiel. Regieren hingegen war ihm eine Last. Wiewohl nicht ohne guten Willen, so betrachtete er das Aktenstudium, dem er sich nur wenige Stunden am Tage zu widmen pflegte, als Einschränkung seiner Lebensqualität. Genauso verhielt es sich mit Disziplin und Strenge. Dennoch mochte das Volk diesen König, dessen stattliche Erscheinung und sanften Gesichtszüge nicht weniger beeindruckten als dessen Güte und Liebenswürdigkeit. Sein Name war Friedrich Wilhelm der Zweite.

Als er 1786 den Thron bestieg, ließ er sich ein persönliches Paradies erschaffen. Ein Ort der Freiheit, der Träumerei und eben jener überbordenden Sinnlichkeit, die sonst kein Herrscher Preußens je besaß: den „Neuen Garten“ in Potsdam. Dort aller Zwänge enthoben, wollte und konnte der König ganz er selbst sein. Noch heute soll die Seele Friedrich Wilhelms, der zu Lebzeiten an die Existenz des Übersinnlichen glaubte, durch seinen geliebten „Neuen Garten“ wandeln. Gleich eines Engels für die Menschen unsichtbar, und manchmal in Begleitung einer anderen, unsterblichen Seelengestalt.

So geschah es vor einigen Jahren an einem magischen Dezembertag, dass sich Friedrich Wilhelm eines ganz besonderen Besuches erfreute. Ein Besuch, der einst die irdene Welt wie kein zweiter beschenkte: Wolfgang Amadé Mozart. Es war ein Wiedersehen nach langer Zeit und begann im Marmorpalais, der eleganten Residenz des Königs im Neuen Garten in Potsdam ……

Friedrich Wilhelm
„Pst. Psssst…hier drüben, lieber Mozart.“

Mozart
„Habe die Ehre, Majestät.“

Friedrich Wilhelm
„Welch’ Freude nach so vielen Jahren. 1787 war es – in Berlin. Wir musizierten, Sie am Klavier, ich am Cello.“

Mozart
„Ein unvergesslicher Spaß. Kein König spielte besser. Und die Hofkapelle – bravissimo! Nur zu rasant im Tempo.“

Friedrich Wilhelm
„Sie weilten wenige Wochen und logierten in Potsdam.“

Mozart
„Ein teurer Ort. Allein Ihre Gunst ließ mich ruhiger schlafen.“

Friedrich Wilhelm
„Ein paar Aufträge – sonst nichts.“

Mozart
„Ein Busserl hätte ich Ihrer Majestät geben können. In Wien gab es kaum noch honette Liebhaber meiner Kunst.“

Friedrich Wilhelm
„Sie schmeicheln.“

Mozart
„An dieses vortreffliche Marmorpalais und den schönen Park kann ich mich jedoch nicht erinnern.“

Friedrich Wilhelm
„Alles wurde begonnen, just als sie Potsdam wieder verließen.“

Mozart
„Nun, da habe ich was verpasst. Zeit, ein wenig nachzuholen.“

Friedrich Wilhelm
„Seien Sie mein Gast, verehrter Meister. So wie diese Reisenden aus dem Reich der Mitte, die eben durch mein Schlafgemach hetzen.“

Mozart
„Potz Sapperment! Sie sollten erst meines in Salzburg erleben. Ein Taubenschlag. Und all die schönen Dinge: Schokoladenkugeln, Likörflaschen, Duftwasser und Leberpasteten. Überall mein Konterfei darauf.“

Friedrich Wilhelm
„Es ist traurig. Der Ruhm kam spät.“

Mozart
„Das Herz adelt den Menschen – nicht der Ruhm. Aber das Geld, dass manch Schlingel so elendig verschwendete – gerne hätte ich es gehabt. Ich konnte halt weder Talent noch Freiheit an den verfluchten Mammon hängen.“

Friedrich Wilhelm
„Dukaten hatte ich genug, lieber Mozart, und doch war ihre Freiheit unendlich größer als meine.“

Neffe und Onkel

Friedrich Wilhelm wurde 1744 als erster Sohn des Prinzen August Wilhelm geboren. Der Papa war stolz und überglücklich. Erfreut war auch dessen älterer Bruder, Friedrich der Große. Der kinderlos gebliebene König, der keine Frau in seiner Nähe ertrug, erhob den kleinen Neffen sogleich zum Thronfolger, um ihn fortan mit strengster Zucht und Ordnung nach seinem Willen zu formen.

Für den sanften und gütigen August Wilhelm indes hatte Friedrich nur Verachtung übrig. Als dieser aus Gram und Kummer 1758 starb, war der Kronprinz 14. Jahre alt. Ein schrecklicher Verlust, denn Friedrich Wilhelm liebte seinen Vater. Gab er ihm doch jene menschliche Wärme, zu der sein missmutiger, zum Zynismus neigender Onkel niemals fähig war.

So bleibt die Beziehung allzeit gespannt und distanziert. Zumal der große König bald erkannte, dass der Erbe seines Lebenswerkes dem Wesen des ungeliebten Bruders entsprach. Friedrich II. war bitter enttäuscht ……

Friedrich Wilhelm
„Mit dem Onkel verband mich nichts. Er hasste alles, was ich liebte. Selbst meinen lieben Papa hieß er einen Hundsfott, einen Feigling. Nur weil er als Mensch bestach und als Soldat versagte.“

Mozart
„Ein garstiges Benehmen. Aber ich hörte Friedrich liebte Hunde?“

Friedrich Wilhelm
„Wie wahr. Ständig umgab ihn eine Meute italienischer Windhunde. Manche schliefen in seinem Bett.“

Mozart
„Da fiele mir etwas Besseres ein.“

Friedrich Wilhelm
„Mir auch. Dem König war jedoch nichts mehr zuwider als Sinnlichkeit. Und welche Sinnlichkeit mag die der Weiblichkeit zu übertreffen?!“

Mozart
„Manche Männchen brauchen kein Weibchen. Dafür war der Herr Onkel ein Spitzbube auf dem Schlachtfeld.“

Friedrich Wilhelm
„Wahrlich, Schlesien hat er tollkühn geraubt – Preußen mit dem Blut und Leid vieler zur Großmacht erhoben. Aber ihre Musik, lieber Mozart, die war ihm ein Katzengeheul.“

Mozart
„Miau, miau – den hätte ich schon schwindlig gespielt.“

Friedrich Wilhelm
„Verkennen Sie nicht seine Grobheiten. Alles und jeden überzog er mit Spott. „Haben Sie den Leib des Herrn gut verdaut?“ begrüßte er einen General der vom Gottesdienst kam. Und mich ließ der alte Herr rund um die Uhr bespitzeln. Die Ehrfurcht war groß, doch meine Lebenslust war größer, denn ich fürchtete ihn nicht.“

Die Entdeckung des Heiligen Sees

Wann immer er konnte, versuchte Friedrich Wilhelm dem erdrückenden Erziehungsreglement des Onkels zu entkommen. Zu seinem liebsten Fluchtort wurde das Gartenhaus des Potsdamer Kaufmanns Punschel. Es lag direkt am Ufer des Heiligen Sees und war umgeben von herrlichen Wein- und Obstgärten. Hier verbrachte der Kronprinz viele glückliche Stunden. Er liebte die Natur, den Geruch frischer Erde und die Erhabenheit edler Gehölze, die er gerne selber pflanzte.

Seinem Charakter entsprechend gab er sich völlig ungezwungen. Niemanden ließ er seine hohe Stellung spüren. Doch half sie ihm, seine größte Leidenschaft zu befriedigen: die unstillbare Lust auf Liebe. Gleich eines inneren Zwanges entbrannte seine Begierde ständig aufs Neue. Gefiel ihm ein weibliches Geschöpf, so begehrte er es. Und sei es auch nur eine Waschmagd.

Doch kein Mädchen rührte ihn mehr, als die zwölfjährige Wilhelmine Enke. Das bezaubernde Töchterlein eines Hofhornisten. Gleich eines großen Bruders nahm sich der acht Jahre ältere Kronprinz der Kleinen an. Er kümmerte sich um Ausbildung und Erziehung, und verzehrte sich vor Sehnsucht, wenn sie nicht in seiner Nähe war.

Besonders gerne brachte er Wilhelmine, die er zärtlich „Minchen“ nannte, an den Heiligen See. Dann bestiegen sie ein kleines Boot und ließen sich durch den Hasengraben, der den See mit der Havel verbindet, zur Pfaueninsel rudern. Dort, im Dickicht unsichtbar vor den Spionen des misstrauischen Onkels, vergaßen sie die Wirklichkeit. Unter türkischen Zelten trank man Wein, las Shakespeare, schwärmte von Haydn und Mozart. Träumte schließlich von all den wunderbaren Dingen, die kommen würden. Friedrich Wilhelm machte Minchen zur Geliebten und beide schworen sich ewige Treue. Niedergeschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem eignem Blut. Auf die kleine, vernarbte Wunde, die sich Wilhelmine dafür zufügte, war sie bis zu ihrem Lebensende stolz.

Heiraten durften sie indes nicht. Die Staatsräson zwang den Kronprinzen 1769 zur Ehe mit Friedericke Luise von Hessen-Darmstadt. Der ungeliebten Verbindung entsprangen 6 Kinder. Darunter der Thronfolger und spätere König Friedrich Wilhelm III.. Doch sah sich Friedericke angesichts der zügellosen Libido ihres Gemahls bald genötigt, ein stilles Leben im Abseits zu führen ……

Mozart
„Das imponiert mir: dem mächtigen Onkel zum trotz, die Courage zu haben, dem Triebe des Herzens zu folgen.“

Friedrich Wilhelm
„Bei aller Courage und Vergnügen – Frauen, lieber Mozart, sind kompliziert! Von mir aus hätte ich mit all meinen Liebschaften und Kindern unter einem Dach gewohnt. Und es waren nicht wenige.“

Mozart
„Wie Pascha Selim im Serail! Dass wäre fein. Doch mir fehlte es an Stellung und Aussehen.“

Friedrich Wilhelm
„Ihre Musik hat bestimmt so manches Herz erobert.“

Mozart
„Wenn ich alle heiraten müsste, mit denen ich gespaßt habe, so müsste ich leicht 200 Frauen haben.“

Friedrich Wilhelm
„Holla, dass wird ihrem gestrengen Herrn Papa in Salzburg nicht gefallen haben.“

Mozart
„Na gut, vielleicht waren es weniger. Aber meine Kusine, das schlimme Bäsle-Häsle, würde Ihnen so viel Vergnügen verursacht haben, wie mir.“

Friedrich Wilhelm
„Frische Fische, gute Fische. Von Herzen liebte ich jedoch immer nur eine: Wilhelmine.“

Mozart
„Und ich meine Constanze. Ein himmlisches Geschöpf. Keine Schönheit, doch wusste sie den Mangel durch bezwingende Artigkeit auszugleichen.“

Friedrich Wilhelm
„Das kluge Betragen einer Frau kann dem Mann Fesseln anlegen.“

Mozart
„Ganz meine Rede, Majestät. Als ich sie heiratete, musste ich weinen.“

Friedrich Wilhelm
„Dem lustlosen Onkel in Sanssouci habe ich jedenfalls so manche Nase gedreht. Vor allem hier, am Heiligen See.“

Mozart
„Eine wunderbare Zuflucht, man kommt auf schöne Gedanken.“

Friedrich Wilhelm
„Ich wusste, als König wird es mein Paradies, in dem ich vergnügt leben werde.“

Mozart
„Das lange Warten war gewiss unangenehm.“

Friedrich Wilhelm
„Ich barst vor Ungeduld. Doch die goldene Freiheit kam.“

Ein neuer König

1786 starb Friedrich der Große. Preußen erhob er zur Großmacht, aber Gesellschaft und Kultur blieben Rückständig. Verweigerte sich doch der alte Fritz jeder modernen Entwicklung. Vielmehr verharrte er in Barock und Rokoko, dass in anderen Ländern längst als altmodisch verspottet wurde. Der 42 Jahre alte Nachfolger hingegen war auf der Höhe seiner Zeit. Friedrich Wilhelm II. holte begnadete Baumeister und Künstler nach Preußen, schaffte ungeliebte Steuern ab und ließ die Zügel locker. So wehte eine frische Brise durch das ganze Land, dass entspannter, fröhlicher und auch ein wenig charmanter wurde ……

Mozart
„Als ich nach Potsdam kam, sprach alles vom neuen König, der zum Volk herabsteigt, um es wahrlich glücklich zu machen.“

Friedrich Wilhelm
„Keine große Tat, der einfachste Stallknecht war des ollen Fritzen überdrüssig.“

Mozart
„Auch befahlen Sie, meine Opern in Berlin uraufzuführen.“

Friedrich Wilhelm
„Bei meinem fürstlichen Ehrenwort: von der ersten bis zur letzten Note gefielen mir alle.“

Mozart
„Gott Lob und Dank! Sie müssen gewiss von guter Wirkung gewesen sein.“

Friedrich Wilhelm
„Die Berliner waren närrisch vor Begeisterung.“

Mozart
„Sie ahnen nicht, wie sehr es mich in der Seele freute, dass ein König mein Talent schätzte. Leider blieb die Freude kurz bemessen. Meine Tage waren gezählt, ehe ich die Früchte des Talents wahrhaft genießen konnte.“

Friedrich Wilhelm
„Oh diese elendige Vergänglichkeit des Lebens. Glücklich ist, wer jede Minute mit Heiterkeit erfüllt. So wie sie es, vertrauter Freund, bei all dem Kummer taten.“

Mozart
„Ohne unbeschwerten Gemüt und leichten Kopf hätte ich keinen Ton gesetzt. Aber zurück, Majestät, zu ihrem himmlischen Neuen Garten.“

Friedrich Wilhelm
„Er entsprang einer neuen Epoche, die ganz Europa aus den Fugen hob.“

Vorbild England

Friedrich Wilhelm II. lebte und regierte in einer Zeit dramatischer Umbrüche. Aufklärung, bürgerliche Emanzipation, einsetzende Industrialisierung und schließlich die Französische Revolution. Ob Gesellschaft, Politik, Kunst oder Kultur. Alles Althergebrachte befand sich im Laufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Auflösung.

Gleichsam als Gegenreaktion begann in vielen Menschen eine diffuse Sehnsucht nach Harmonie und heiler Welt zu keimen. Man beschwor einen Überschwang des Herzens, verklärte Antike und Mittelalter zu goldenen Epochen. Vor allem aber entdeckte man die Natur als unversiegbarer Quell der Inspiration, der Melancholie und Sentimentalität: „Kehr zurück, verlorenes Kind, kehr zurück zur Natur.“

Diesem romantischen Naturgefühl, das letztendlich der Flucht aus der Wirklichkeit diente, entsprang auf den Britischen Inseln eine neue Park- und Gartenkunst: der Englische Landschaftsgarten. Er war der Gegenentwurf zur ermüdenden Strenge französischer Barockgärten, die zum Symbol der Unfreiheit wurden. Der Landschaftsgarten hingegen basierte auf der Illusion einer unberührten, sich ohne Regel entfaltenden Natur. Er wurde im Lichte der Aufklärung zum Sinnbild des freien Menschen.

Den Fürsten und Königen, jenen also, die sich das Vergnügen einer Parkanlage leisten konnten, war das neue Naturbewusstsein eine willkommene Abwechselung im erstarrten Hofleben. Auch sie wollten Freiheit schmecken, riechen und vor allem fühlen. Dazu diente der Landschaftsgarten, in dem man sich zwanglos privaten Träumereien und der scheinbaren Schlichtheit des Landlebens hingeben konnte. Marie Antoinette etwa ließ sich das zwergenhafte Bauerndörfchen „Hameau de la Reine“ errichten, um fernab aller Realität eine Bäuerin zu spielen.

Der erste Englische Landschaftsgarten in Deutschland entstand bei Wörlitz im kleinen Fürstentum Anhalt-Dessau. Dessen weltgewandter Fürst Franz I. legte ihn ab 1765 an, und schon bald wurde der hoch moderne Park zur bewunderten Pilgerstätte. Auch der preußische Kronprinz kam, staunte und erhob Wörlitz zum Vorbild seines eigenen „Neuen Garten“, den er, kaum zum König gekrönt, Wirklichkeit werden ließ.

Den Ort hatte Friedrich Wilhelm schon lange gewählt. Jene märchenhafte Landschaft um den Heiligen See, die ihn als jungen Prinzen so sehr betörte. Voller Ungeduld lässt er die dafür nötigen Grundstücke mitsamt vorhandenen Gebäuden ankaufen. Einige davon stehen noch heute. Nach dem jeweiligen Farbanstrich grünes, rotes und weißes Haus genannt. Das am Seeufer gelegene Landhaus des Kaufmanns Punschels hingegen wurde abgetragen. Der König wählte diese schönste Stelle für seine eigene bescheidene Gartenvilla: das Marmorpalais ……

Mozart
„Ganz Wien sprach von Wörlitz…“

Friedrich Wilhelm
„…das ich noch zu übertreffen wünschte.“

Mozart
„Man möcht’ sagen: dem Volk ein Neues Land – dem König ein Neuer Garten.“

Friedrich Wilhelm
„Nichts trieb mich mehr, als diesen Flecken Erde ganz nach meiner Facon zu gestalten. Auf das mich die Natur von allen Pflichten ablenke.“

Mozart
„Solch ein privates Vergnügen war mir nicht vergönnt. Ich konnte kaum die Miete zahlen. Aber in die Natur war ich nicht minder verliebt. Täglich ging ich in aller Herrgott Frühe im Wiener Augarten spazieren. Oder ich ritt auf meinem alten Klepper. Das treue Tier begleitete mich, bis die Pauken des Requiems das nahe Ende anschlugen.“

Friedrich Wilhelm
„Was ist schon ein kleiner Park gegen das göttliche Requiem?!“

Mozart
„Nur keine Bescheidenheit. Der Neue Garten ist auch unsterblich geworden.“

Der Neue Garten entsteht

Die Geburtsstunde des Neuen Garten fällt in das Jahr 1787, als die Arbeiten an Palais und Parkanlage begannen. Die Planung dieses ersten Englischen Landschaftsgarten Preußens legte Friedrich Wilhelm II. in junge, aber begabte Hände. Er engagierte Johann August Eyserbeck, den 25-jährigen Sohn des Wörlitzer Hofgärtners.

Eyserbeck sowie alle Gärtner des neuen Gartenstils verstanden sich als Künstler, die nach dem Vorbild der Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts ihre Schöpfungen regelrecht komponierten. Wenn auch von Menschhand geschaffen, so galt es jede Form von Unnatürlichkeit – wie Symmetrie und Wiederholung – zu vermeiden. Vielmehr hatte sich der Landschaftsgarten in die jeweils örtlichen Gegebenheiten einzufügen und diese noch zu steigern. Durch das Formen und Anordnen von Höhen, Tiefen, Gewässern und Vegetation, durch die Wirkung von Licht und Schatten. Die Grenzen des Parks waren überdies geschickt zu verschleiern. Denn ein sichtbares Ende wurde als sehr verdrießlich empfunden.

Die einzigartig schöne Lage des „Neue Garten“ an Havel und Jungfernsee machte es Eyserbeck nicht schwer, diese Anforderungen zu erfüllen. Da jedoch das Gelände aus Wein- und Obstgärten bestand, musste es von Grund auf neu bepflanzt werden. So brachten endlose Fuhrwerkskarawanen 13.000 junge Bäume an den Heiligen See. Darunter allein 5.500 amerikanische Weymouth-Kiefern, sowie Pappeln, Zedern, Platanen, Lärchen und Rotfichten.

Die höchste Meisterschaft des Gartenkünstlers zeigte sich im Anlegen der Parkwege. Allzeit sanft geschwungen, sollten diese stummen Führer den Lustwandler zu überraschenden und sinnlichen Aus- und Einblicken leiten. Dabei durfte kein Weg ins Leere führen, oder gar zur Umkehr zwingen. Den Verlauf legte Eyserbeck vor Ort fest. Wie ein Maler seinen Pinsel, nutze er dafür einen Stock, an dessen Ende sich eine eiserne Spitze befand. Damit ging er durch das Gelände und ritzte, seinen spontanen Empfindungen und Inspirationen folgend, die Wegführung in den Boden. Diese wurde sogleich von Gesellen durch das Einschlagen von Pflöcken markiert ……

Mozart
„Es muss eine rechte Freude sein, ein Paradies auf Erden zu erschaffen. Noch dazu das eigene.“

Friedrich Wilhelm
„Wenn mich nur nicht die Ungeduld so beständig quälte.“

Mozart
„Das kenne ich. Die Partituren schnell im Kopf und dann das mühsame Notenschreiben.“

Friedrich Wilhelm
„Das Ziel vor Augen, sitzt man wie der Has im Pfeffer. Vor allen Dingen, wenn teuflische Beamte am Werken sind.“

Mozart
„Den Hofschranzen ist niemals zu trauen. Keinen Kreuzer Geschmack noch Empfinden.“

Friedrich Wilhelm
„In der Tat, lieber Mozart. Die unendlichen Dispute waren nicht nur um den Neuen Garten ermüdend. Also suchte ich Ruhe durch rasche Nachgiebigkeit.“

Mozart
„Bestimmt zur Freude manch unwerten Lümmels.“

Friedrich Wilhelm
„Fraglos, doch einerlei. Warum sich das eigene Vergnügen durch Intrige, Geschwätz und Kriecherei anderer verderben lassen?!“

Mozart
„Die Menschen sind wie sie sind. Mir hätte das Antichambrieren und Verstellen indes so manchen Kummer erspart.“

Friedrich Wilhelm
„Und mir mehr Strenge und Härte.“

Mozart
„Leicht gesprochen, Majestät, wenn es dem innersten Wesen gänzlich zuwider ist.“

Friedrich Wilhelm
„Das eine oder andere Mal überwand ich die Lust zur Güte und machte den Domestiken Beine. Es musste nur wichtig genug sein, wie die Arbeiten am Neue Garten.“

Mozart
„Damals habe ich ihn nie betreten und heute ist sein Antlitz gewiss anders.“

Friedrich Wilhelm
„Wenige Pflanzen überragten meine Größe, und später bekam er ein völlig neues Kleid. Aber zahlreiche Gebäude vermochten den Zeiten zu trotzen.“

Die Bauten des Neuen Garten

Mit dem Englischen Landschaftsgarten hielt auch eine heute kurios anmutende Parkarchitektur Einzug. Ein Sammelsurium von Gebäuden, Skulpturen und Denkmälern, deren Sinn und Aussehen dem Eskapismus und sentimental-romantischen Zeitgeschmack entsprachen.

Allen voran antike Tempel und Ruinen. Eine Huldigung der versunkenen, goldenen Zivilisationen, und gleichzeitig eine Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens. Parallel dazu fanden die Traditionen und Tugenden Nordeuropas in der verspielten Rezeption gotischer oder normannischer Burgen- und Klöster des Mittelalters ihre Entsprechung.

Die neue Verbundenheit mit der Natur kam ebenfalls nicht zu kurz. Die Fürsten erfreuten sich an Baumhäusern, Einsiedeleien und allerlei Hütten, die zwar außen mit Borke, aber im inneren mit Seidentapeten verkleidet wurden. Zu diesen besonderen Kleinoden gesellten sich schließlich noch jene, die der Sehnsucht nach fernen, exotischen Kulturen entsprangen. Etwa die Pagoden und Teehäuser der China- und Japanmode.

Klassizismus, Neogotik oder Exotismus. Nahezu das gesamte stilistische Repertoire fand sich im Neuen Garten vereint. Die Auswahl traf Friedrich Wilhelm persönlich, der sich dabei unbekümmert an Vorhandenem bediente. Besonders gerne aus den Heften „Jardins Anglo-Chinoises“ des französischen Kupferstechers Le Rouge. Gleich eines Kataloges, waren darin die neuesten Kreationen aus ganz Europa minutiös abgebildet.

Dort fand der König auch das mysteriöseste Gebäude des Neuen Garten: eine Ägyptische Pyramide, deren Vorbild aus dem berühmten Park „Désert de Retz“ bei Paris stammte. Schon Zeitgenossen staunten über diesen „Gruß aus dem heißen Wüstensand“, der amüsanterweise als Kühlschrank diente. Denn im Inneren verbirgt sich eine fünf Meter tiefe Grube, in der große Eisblöcke ruhten. Sie wurden im Winter aus dem Heiligen See geschlagen und kühlten Verderbliches bis in den Herbst hinein. Die Hieroglyphen an den Außenwänden zitieren Originalmotive. Sie sind jedoch ohne inhaltliche Bedeutung, da die Schrift der Pharaonen erst 1822 entschlüsselt wurde. Die vergoldeten Eisensymbole über der Eingangstür sind Planentenzeichen.

Die Verehrung des alten Ägypten, das als legendäreres Ursprungsland der Monarchie und der Mythologie galt, spiegelt sich überdies am Portal der Orangerie des Neuen Garten wieder: Eine Sphinx, sowie zwei aus schwarzem Sandstein gefertigte Wächterfiguren. Letztere schuf der begnadete Bildhauer Johann Gottfried von Schadow, der das antike Original, eine Osirisstatue, im Vatikan bestaunte.

Die elegante Orangerie selbst, von dem Architekten Langhans entworfen, beherbergte 60 aus Sanssouci überstellte Orangenbäume. Auf Wunsch des musizierenden Königs entstand im Mittelteil der kostbar ausgestattete Palmensaal. Damals wie heute sinnlicher Ort anspruchsvoller Konzerte.

Dem antiken Rom wurde in Gestalt der Schlossküche gehuldigt. Aus Platzgründen außerhalb des Marmorpalais platziert, ist sie mit diesem durch einen unterirdischen Gang verbunden. Die Fassade des Gebäudes, das sich dicht am Seeufer erstreckt, ist einem halb versunkenen Marstempel nachempfunden. Ein klassisches Motiv der alten Landschaftsmalerei und Symbol für das langsame Ertrinken in den Fluten der Zeit. Denn noch im 18. Jahrhundert waren die meisten antiken Ruinen nur unvollständig freigelegt.

Ein gotisches Antlitz bekam die Bibliothek des Königs, in der sich 1.000 in grünem Ziegenleder gebundene Bücher aneinander reihten. Und auch die Meierei am Jungfernsee, die der leiblichen Versorgung aller Bewohner des Neuen Garten diente. Unter anderem tummelten sich dort zahlreiche königliche Kühe. Denn der Hausherr liebte frische Milch. Überdies hielten die Tiere die Rasenflächen des Parks kurz.

Unweit der Meierei entstand in einem künstlich angelegten Hügel eine märchenhafte Grotte. Ein stilistisches Überbleibsel der Renaissance, deren drei Räume mit Kristallen, Muschelwerk und Malereien üppig ausgeschmückt waren. Nicht viel blieb davon erhalten, jedoch bemüht man sich dieser Tage um eine authentische Rekonstruierung. Das so genannte Eulenhaus, das der Grotte als kleine Küche diente, hat die Zeit nicht überdauert. Dasselbe Schicksal teilen ein Maurischer Tempel, ein skurriles Baumhaus, sowie die mit Baumrinde verkleidete Eremitage am Quapphorn. Diese wird jedoch neu aufgebaut.

Bereits erstrahlt im alten Glanz ist ein reizender, an China erinnernder Parasol, der auf einer kleinen Erhebung, dem Schneckenberg, thront. Ein Sitzplatz mit Schirm gegen Sonne und Regen, bekrönt von einer vergoldeten Ananas. Damals ein Statussymbol der vornehmsten Fürsten, denn nur ihnen war es vergönnt, den süßen Geschmack zu genießen. Da ein weiter Transport der Früchte noch unmöglich war, mussten sie in Orangerien mühevoll gezogen werden. Dies galt für eine Vielzahl exotischer Köstlichkeiten, die noch heute jeden Delikatessenladen in den Schatten stellen würden. In jenen Zeiten ein Genuss, auf dem die Höfe Europas alsbald nicht mehr verzichten mochten.

Der Neue Garten war nicht nur stilles Refugium eines aller Zwänge überdrüssigen Monarchen. Es war eine von der Außenwelt hermetisch abgeriegelte Parallelwelt mit eigenem Hofstaat. Lakaien, Erzieher, Gärtner, Kutscher, Wächter, ja ganze Familien bevölkerten das private Gartenreich des Königs. Für sie ließ er ein eigenes Dorf errichten: das Holländische Ensemble. Gedacht als ländliches Musterdorf mit Wohnhäusern, Stallungen und Remisen. Tatsächlich wurde dort ein glückliches Leben geführt. Ein Augenzeuge schreibt:

„Das Klima von Zufriedenheit und Ungezwungenheit der Bewohner dieses privilegierten Ortes, der spielenden Kinder, der auf den Wiesen weidenden Herden, der Kühe, der wilden Tiere, die ohne ein Zeichen von Schreckhaftigkeit auf den Wegen wandelten, die Ruhe und der Frieden, den kein Wesen störte – alles erinnerte an das Landleben.“

Ein Gebäude erfüllte als „Kavalierhaus“ eine besondere Aufgabe: dort warteten jene Mädchen und Damen, die der König zu erotischen Vergnügungen in das Marmorpalais befahl. Bis es soweit war, wurde Kakao, Kaffee oder Limonade gereicht. Feine Kuchen und Pralinen taten noch das übrige, um die oft lange Wartezeit zu versüßen.

Das Holländische Ensemble erstreckt sich an der Zufahrtsallee zwischen Haupttor und Marmorpalais. Sie war gesäumt von Pyramidenpappeln, dem Lieblingsbaum des Königs, und wurde nach den neuesten Techniken des Straßenbaus angelegt. Gleichsam als Musterchaussee für alle Strassen des Landes, die Friedrich Wilhelm zu erneuern trachtete ……

Friedrich Wilhelm
„Nun, lieber Mozart, konveniert es?“

Mozart
„Alles ganz nach Gusto. Hier hat ein König von vortrefflichem Geschmack gewirkt.“

Friedrich Wilhelm
„Mich amüsiert, dass manches den Menschen heute rätselhaft erscheint.“

Mozart
„Genauso ist mir heute manches rätselhaft.“

Friedrich Wilhelm
„Vieles hat sich verändert, und ist doch gleich geblieben.“

Mozart
„Besonders unsere Spezies. Sie fahren in Autokutschen, fliegen durch Luft und Weltall, erfreuen sich eines langen Lebens. In ihrem Charakter und Handeln kann ich hingegen fürwahr kaum Neues erblicken. Sie lachen, weinen, lieben und tanzen, sie hassen, streiten, entdecken und bewahren. Alles erscheint vertraut.“

Friedrich Wilhelm
„Allein, der schnöde Mammon besitzt mehr Macht, als je ein König besaß.“

Mozart
„Ein scheinbar unüberwindbares Hindernis zum Glücklichsein.“

Friedrich Wilhelm
„Dabei verrinnt die Zeit genauso rasch wie zu unseren Tagen.“

Mozart
„Wem sagen Sie das. Die Uhr schlägt für alle gleich – aber nicht gleich lange.“

Friedrich Wilhelm
„Vielleicht dies zum Trost: ohne Tod wird man nicht unsterblich.“

Mozart
„Je früher umso besser, darf ich keck hinzufügen. Meine Fatalitäten hätte ich trotzdem gerne länger ertragen. Allein um Ihre Majestät ein zweites Mal zu besuchen und den Neuen Garten in Augenschein zu nehmen.“

Friedrich Wilhelm
„Eine tragische Laune des Schicksals. Als ich von Ihrem Tode erfuhr, hielt ich dort Einzug.“

Einzug in ein königliches Paradies

1791, im Jahr als Mozart starb, hatte das Warten für den ungeduldigen König ein Ende. Sein Neuer Garten war in weiten Teilen vollendet, das Marmorpalais zum Einzug bereit. Ein frühklassizistisches Meisterwerk des Architekten Carl von Gontard in bestechend klarer Kubusform. Als Vorbild soll das Palais Lazienki in Warschau gedient haben.

Für die nicht minder elegante Innenausstattung war Carl Gotthard Langhans verantwortlich. Jener begabte Baumeister, der auch das Brandenburger Tor für den König entwarf. Sämtliche Kamine des Palais sowie zahlreiche antike Skulpturen wurden aus Italien herbeigeschafft. Überdies liebte Friedrich Wilhelm die Keramik des englischen Töpfers Josiah Wedgwood. Damals der neueste Modeschrei. Seine Ankäufe für das Marmorpalais gehören noch heute zu den bedeutendsten Sammlungen außerhalb Britanniens.

Schließlich traf noch ein besonderes Kleinod in Potsdam ein. Ein Geschenk des türkischen Sultans in Gestalt eines Zeltzimmers. Die Dankesbotschaft verfasste der König vermutlich selbst. Er besaß ein Lehrbuch über die türkische Sprache.

Als er nun seine Traumvilla bezog, gehörte sie zum modernsten, was in Preußen an Privatrefugien zu finden war. Fortan Schauplatz mondäner Feste und Darbietungen der besten Musiker ihrer Zeit. Darunter der junge Beethoven, der derart feurig in die Tasten hämmerte, dass der König um seinen kostbaren Flügel bangte. Das Marmorpalais diente freilich nicht nur dem musikalischen Vergnügen. Die Mauern könnten von unzähligen erotischen Abenteuern berichten, die meist mit einer Gondelfahrt auf dem Heiligen See begannen – oder endeten.

Diesen erblickte der Hausherr jeden Morgen von seinem Schlafgemach aus. Idyllisch umrahmt von zahlreichen Windmühlen, die sich am gegenüberliegenden Seeufer reihten. Er sah, wie sich die Fischer um das königliche Mittagsmahl mühten, beobachte Schwäne, Enten und Reiher.
Nach Morgentoilette und Frühstück ging er oft im Park spazieren. Gekleidet wie ein einfacher Landedelmann, in Begleitung seiner beiden schwarzen Neufundländer.

Der Weg führte ihn zuerst an die Gedenkurne des Grafen Alexander von der Mark. Das erste von fünf Kindern, die ihm Wilhelmine schenkte. Der König liebte Alexander abgöttisch, doch starb der reizende Junge 1787 mit acht Jahren an einem geheimnisvollen Fieber. Friedrich Wilhelm kam über den Verlust nie hinweg. Ja, er begann, Alexanders Stimme aus dem Jenseits zu vernehmen und hielt jedes Wort in einem ominösen „Blauen Geisterbuch“ fest.

Ohnehin besaß der sinnliche König eine ausgeprägte Neigung zum Übersinnlichen. In einem Geheimkabinett seines Schlafgemachs verbarg er zahlreiche mystische Schriften und okkulte Gegenstände. Überdies war er das prominenteste Mitglied der Bruderschaft der Rosenkreuzer. Eine Art Freimaurerloge, die sich unter anderem obskuren Geheimlehren und Geisterbeschwörungen widmete. Das einige seiner engsten Berater ebenfalls zu diesem elitären Zirkel gehörten, gab Anlass zu wilden Spekulationen. Tatsächlich ließen sie in sorgfältig inszenierten Sitzungen verblichene Persönlichkeiten wie Marc Aurel und den Großen Kurfürsten wieder auferstehen, um ihrer Majestät Ratschläge zu erteilen.

Inwieweit sich Friedrich Wilhelm, der leichtgläubig, aber alles andere als einfältig war tatsächlich davon beeinflussen ließ, bleibt umstritten. Gemessen an seinen politischen Entscheidungen haben ihn die Geister verhältnismäßig gut beraten. Allerdings nutzte selbst Wilhelmine die nicht schwinden wollende Trauer des Königs, und täuschte Zwiesprache mit dem verlorenen Sohn vor. Die Gunst des Geliebten und Gönners wollte sie nicht verlieren. Das Volk hingegen verspottete sie boshaft als „Potsdamer Pompadour“.

Eine zweite Urne im Neuen Garten galt dem Gedenken an die Gräfin Ingelheim, die früh an der Schwindsucht starb. Sie war die erste Frau, die Friedrich Wilhelm zur linken Hand ehelichte, und die er zutiefst verehrte. Diese so genannte Morganatische Ehe galt damals für einen Monarchen als nichts Unschickliches.

Die zweite Ehefrau zur linken Hand wurde Gräfin Dönhoff. Eine kluge und resolute Dame. Vermutlich zu resolut, denn der König verbannte sie alsbald vom Hofe. Eines Tages jedoch, schlich sie sich ins Marmorpalais und legte ihm das gemeinsame Kind zu Füßen: „Sire, hier haben Sie ihr Eigentum!“ Der König behielt die Fassung und sprach nur ein Wort: „Versorgen!“ ……

Mozart
„Ein Garten, voll erbaulicher und geheimnisvollen Erinnerungen.“

Friedrich Wilhelm
„Und voll von bösen Geistern und leichten Mädchen.“

Mozart
„Um Geister habe ich mich nie gekümmert, und an leichten Mädchen kann ich keinen Makel erkennen.“

Friedrich Wilhelm
„Auch sie kommen ins Paradies.“

Mozart
„Sapperlot – ganz sicher!“

Friedrich Wilhelm
„Ein wenig bin ich dennoch konsterniert – ob der sensationshungrigen Chronisten.“

Mozart
„Was hat man mir nicht alles angedichtet. Zum Glück. Nun kann ich bis in alle Ewigkeit lachen.“

Friedrich Wilhelm
„So ist es recht, wir wollen uns amüsieren und nun einen Ausflug auf eine Insel unternehmen!“

Die Pfaueninsel

Bis 1793 wuchs der Neue Garten auf seine heutige Größe von etwa 74ha. Friedrich Wilhelm wünschte eine Erweiterung zum Pfingstberg, doch die horrenden Grundstückspreise überforderten selbst seine Schatulle. So wurde der Park, wo er nicht durch Wasser begrenzt war, durch eine Mauer umschlossen. Jeder ungebetene Gast sollte damit am Eindringen gehindert werden. Wer es dennoch wagte, musste mit Festungshaft rechnen.

Friedrich Wilhelm indes wendete sich einem anderen Objekt seiner Begierde zu: Der etwa drei Kilometer entfernten Pfaueninsel im Flusslauf der Havel. Auch sie ein unvergessener Ort seiner Jugendzeit.

Einst wurde das Eiland vom Großen Kurfürsten erworben und diente der Kaninchenzucht. Um 1685 schenkte er die Insel, nunmehr Kaninchenwerder genannt, dem Alchimisten und Chemiker Johann Kunkel. Im Auftrag des Fürsten unterhielt er dort ein Geheimlabor sowie eine Glashütte. Gold konnte er keines zaubern, aber wunderbare Rubingläser. Der Bevölkerung hingegen wurde Kaninchenwerder, das niemand betreten durfte, alsbald unheimlich. Allein der täglich aufsteigende Qualm galt als untrüglicher Beweis: „Dämonen sind am Werk!“.

Einige Jahre experimentierte Kunkel, bis 1688 sein Gönner starb und zudem alle Anlagen einem Brand zum Opfer fielen. Der „Dämon“ emigrierte nach Schweden, wo er zu einem geachteten Mann aufstieg. Kaninchenwerder wiederum, für das ab und dann der Name Pfaueninsel auftauchte obgleich es dort keine Pfauen gab, verwilderte. Schließlich gelangte es in den Besitz des Potsdamer Militärwaisenhauses, das von den bescheidenen landwirtschaftlichen Erträgen profitierte.

In den folgenden Jahrzehnten dämmerte Kaninchenwerder vor sich hin. Dann, 1793, kam die Erlösung. Friedrich Wilhelm kauft die Insel zur Ergänzung des Neuen Garten. Seine erste Order an den bewährten Hofgärtner Eyserbeck galt den 400 uralten Eichen, die auf der zauberhaften Neuerwerbung standen. Keine durfte gefällt werden.

Als intimes Liebesnest ließ der König ein kleines Schloss in Gestalt einer mittelalterlichen Ruine errichten. Ganz in weiß gestrichen war es vom Marmorpalais allzeit gut sichtbar, und steigerte – gleich eines Bühnenbildes – die Erwartungen des sich auf dem Wasser nähernden Besuchers. Gebaut wurde das Schlösschen von dem Potsdamer Zimmermeister Brendel. Die Innenausstattung oblag Wilhelmine, derweil zur Gräfin von Lichtenau erhoben, die stilsicher mit den Moden jener Zeit umzugehen wusste. Klassizismus stand im Vordergrund, aber auch Exotisches kam zu Ehren. So machte sie aus dem Turmzimmer ein „Oteihitisches Kabinett“ – eine Bambushütte mit Panoramablick auf die unberührte Havelwelt.

Das dekorative Kleinod bezog sich auf jene sagenhafte Südseeinsel, die erst 1767 von englischen Seefahrern entdeckt wurde: „Tahiti“, damals auch „Othaite“ genannt. Die Reiseberichte darüber versetzten ganz Europa in hellste Aufregung. Denn dort, so schien es, lebten edle Wilde ohne Mangel, Zwist und sexueller Gebundenheit im vollkommenen Einklang mit der Natur. Schließlich war man davon überzeugt, dass Tahiti das Paradies auf Erden sei, dessen wohlgeformte Bewohner in jenem goldenen Zeitalter der Antike lebten, dass Europa lange hinter sich gelassen hatte. So wurde Tahiti zum Mythos und Topos einer idealen Gesellschaftsform, zur Metapher für Vollkommenheit und Glück. Derart verklärt, war diese vermeintliche Insel der Seeligen wie geschaffen zur Kritik an der europäischen Zivilisation, die ihr gleichsam als Spiegel ausgiebig vorgehalten wurde.

Eine Insel der Seeligen im Sinne Tahitis. Das sollte die Pfaueninsel für den preußischen König werden. Als jedoch Schloss und einige andere Gebäude, etwa die Gotische Meierei, fertig waren, und erstmals Pfauen die Pfaueninsel bevölkerten, lag Friedrich Wilhelm im Sterben.

Schon lange plagten ihn Atemnot und Schwindelanfälle. Verschlimmert von unzähligen Scharlatanen und Wunderheilern, die sich an den Ängsten und Hoffnungen des Königs zu bereichern suchten. Als seine qualvolle Wassersucht fortschritt, zog er sich in sein Marmorpalais zurück. Er gab noch den Auftrag, zwei Seitenflügel zu errichten. Da nicht genügend Marmor zur Verfügung stand, ließ er kurzerhand die von Knobelsdorff erbaute Marmorkolonnade aus dem Park von Sanssouci abtragen. Eine späte Demütigung des ungeliebten Onkels, aus dessen Schatten Friedrich Wilhelm niemals heraustreten konnte.

Doch die Seitenflügel des Marmorpalais kamen über den Rohbau nicht hinaus. Am 16. November 1797, im Alter von 53 Jahren, tat der außergewöhnliche, so tragische König seinen letzten Atemzug. Bis zuletzt von Schmerzen gepeinigt, den sehnsüchtigen Blick auf die Pfaueninsel gerichtet. Allein Wilhelmine spendete ihm Trost, und ließ seine letzte, blutjunge Gespielin in frivoler Anmut vor dem Sterbenden tanzen ……

Mozart
„Sterben ist nicht schön, wenn man ohne Vergnügen lebte.

Friedrich Wilhelm
„Ein zu großes Vergnügen macht es auch nicht leichter.“

Mozart
„So oder so, wir verlassen die Welt, wie es uns bestimmt ist.“

Friedrich Wilhelm
„Und so, wie wir gekommen sind. “

Mozart
„Wahrlich, Schlösser, Gärten oder Symphonien. Alles bleibt zurück.“

Friedrich Wilhelm
„Dadurch werden uns die Menschen nicht vergessen.“

Mozart
„Und dank einer unergründlichen Gnade ist es ein gutes, ein schönes Andenken.“

Friedrich Wilhelm
„Was meine Person betrifft, bin ich da nicht so sicher. Schon mein Nachfolger war mir nicht geneigt.“

Mozart
„Mit Söhnen ist es so eine Sache, meine beiden hatten es auch nicht leicht.“

Friedrich Wilhelm
„Der Apfel kann doch weit vom Stamm fallen.“

Verfall und neuer Glanz

Friedrich Wilhelm der Dritte, Sohn und Nachfolger des Schöpfers des Neuen Garten, war ein schüchterner Melancholiker, der quälend lange für jede Entscheidung brauchte: „Seine liebste Zeit ist die Bedenkzeit“ spotteten die Zeitgenossen.

Der Lebenswandel des Vaters, mit dem er fast nichts zu teilen schien, war dem neuen König verhasst. So ist es kaum verwunderlich, dass er Wilhelmine Enke, die Gräfin von Lichtenau, vor Gericht zerren ließ. Sie habe sich, so die Anklage, maßlos bereichert und den verstorbenen König von seiner legitimen Familie ferngehalten. Obgleich in allen Punkten freigesprochen, musste die Unglückliche drei Jahre auf der Festung Glogau in Verbannung leben. Dann gab der König zu: „…damals die Sache wohl übers Knie gebrochen zu haben.“ Wilhelmine wurde stillschweigend entlassen und starb 1820 in Berlin.

Ein anderes, ungeliebtes Andenken an den Vater war der Neue Garten. Vom Sohn ignoriert, versank die gesamte Anlage in einen Dornröschenschlaf. Fast 20 Jahre sollten vergehen, bis Friedrich Wilhelm III. die Notwenigkeit einsah, den nunmehr völlig verwilderten Park am Heiligen See auszuholzen. Hofgärtner Morsch ging jedoch derart ungestüm mit Axt und Säge zu Werke, dass der sensible König ob des begonnenen Kahlschlags regelrecht zornig wurde.

Da traf es sich gut, dass gerade ein junger Gartengeselle aus Bonn in seine Dienste trat.
Peter Joseph Lenné. Unter seiner Leitung begann 1816 ein langer Gestaltungsprozess an dessen Ende der Neue Garten jenen unvergleichlichen Charakter bekam, der noch heute die Besucher aus aller Welt bezaubert.

Lenné begann seinen ersten Auftrag mit der Durchlüftung des düsteren Parks und erkannte, dass sich manche Bereiche nahezu willkürlich aneinander reihten. Geschuldet dem stückweisen Zukauf von Grundstücken, die es einst Eyserbeck unmöglich machten, den Neuen Garten als ein harmonisches Ganzes zu formen.

Diesen Makel zu beheben, war Lennés vordringlichstes Ziel. Er ließ große Wiesenräume anlegen und schuf mit freistehenden Bauminseln grandiose optische Szenerien. Sie bestanden aus prächtigen Einzelbäumen, oder aus kleinen Gruppen der gleichen Art, die er in ungerader Zahl pflanzte. Überdies liebte Lenné exotische Pflanzen, mit denen er, stets auf eine stimmige Farbgebung achtend, effektvolle Akzente setzte. Vor allem aber verstand er es wie kaum ein anderer, Wachstum und Wirkung der Pflanzungen über Jahrzehnte hinweg vorherzusehen und entsprechend zu berücksichtigen.

Markenzeichen des großen Gartenarchitekten waren die genialen, meist schräg verlaufenden Sichtachsen. Sie ließen den Neuen Garten großzügiger erscheinen und eröffneten überwältigende Ausblicke, die Raum und Zeit vergessen ließen. Das Werk krönte eine alles verbindende, organische Wegführung, die in großartigen Schwingungen durch den Park leitete.

Bis alles fertig war, vergingen indes Jahrzehnte. Besonders die Anfangsjahre erwiesen sich als zäh, da Friedrich Wilhelm III. nur schwer Gefallen an dem Park seines ungeliebten Vaters fand. Überdies war er äußerst sparsam. Lenné, von Zeitgenossen als Mann von unschuldiger Raffiniertheit beschrieben, stellte fest, dass der König seine Pläne oft ungesehen als zu teuer verwarf. Den Grund hatte die rheinische Frohnatur alsbald ausgemacht: sie waren auf zu großen Papierformat gezeichnet. So griff er zu Miniaturformaten, die ihre Wirkung nicht verfehlten.

Zufrieden mit Lenné, übertrug ihm der König auch die Verschönerung der Pfaueninsel. Im Gegensatz zum Neuen Garten fühlte er sich dort pudelwohl. Seine Leidenschaft für exotische Tiere bescherte der Insel 1818 gar eine Menagerie, die später zum Grundstock des Berliner Zoos werden sollte. Der König ließ das Volk an seinem Hobby teilhaben. Die Abwesenheit ihrer Majestät vorausgesetzt, durfte es an drei Wochentagen Löwen, Affen und anderes königliche Getier bestaunen. Dazu einige neue Bauwerke. Etwa das vom Hofarchitekten Schinkel errichtete Palmenhaus. Ein Wunderwerk aus Glas, das 1880 einem Brand zu Opfer fiel. Da es keinen öffentlichen Nahverkehr gab, kamen zumeist nur die wohlhabenden Bürger in den Genuss eines Inselbesuches. Allerdings mit knurrenden Magen. Es war weder gestattet, Nahrungsmittel mit sich zu führen, noch gab es eine Versorgung vor Ort.

Lenné, der die Karriereleiter rasch emporstieg und 1828 zum Gartendirektor ernannt wurde, hegte indes weit umfassendere Pläne als die Neugestaltung des Neuen Garten und der Pfaueninsel. Seine große Zeit begann jedoch erst 1840 mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms des Vierten. Ein frommer Romantiker, der am liebsten in Italien, dem Land seiner Sehnsüchte, als Baumeister gelebt hätte. Seine Vision ganz Potsdam und Umgebung zu einem großen Landschaftsgarten zu formen, fand in Lenné den kongenialen Schöpfer. Ihm gelang es, den Neuen Garten gemeinsam mit den Parkanlagen von Pfingstberg, Klein Glienicke, Babelsberg, Sacrow und der Pfaueninsel zu jenem unvergleichlichen Havel-Arkadien zu verbinden, dass heute zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.

Gleichsam als Abschluss des neu erstrahlten Neuen Garten, ließ Friedrich Wilhelm IV. die Seitenflügel des Marmorpalais vollenden. Fast 50 Jahre, nachdem sie sein Großvater begonnen hatte.

1861 starb der Romantiker auf dem Königsthron, fünf Jahre später Peter Joseph Lenné, dessen Wirken ein halbes Jahrhundert Preußen prägte. Gleichzeitig endete die Epoche der Romantik, in der die Visionen und Werke der Landschaftsarchitekten alle Dimensionen der Gartenkunst sprengten ……

Mozart
„Welch große Freude die Enkel doch ihren Großvätern bereiten können. Leider hatte ich nie welche. Meine Söhne blieben kinderlos.“

Friedrich Wilhelm
„Ich hatte derart viele, dass ich kaum noch einen beim Namen zu nennen vermag.“

Mozart
„Bemühen Sie sich nicht. Mir fällt es schon schwer genug Ihre Vorgänger und Nachfolger auseinander zu halten. Zu viele Friedrichs und Wilhelms.“

Friedrich Wilhelm
„Wir Hohenzollern bewiesen mehr Tradition als Fantasie.“

Mozart
„Zum Glück sind es nur neun Könige.“

Friedrich Wilhelm
„Nun ja. Sie waren nicht nur Könige, sondern Menschen unter denen sich alle Stärken, Schwächen und Merkwürdigkeiten des menschlichen Charakters entfalteten.“

Mozart
„Davon will ich unbedingt mehr erfahren. Jedoch, nach all den herrlichen Geschichten, ist der Tag wie im Fluge verronnen. Langsam ist es Zeit, Adieu zu sagen.“

Friedrich Wilhelm
„Zum Abschluss noch ein besonderer Ort, der nicht mich, aber den Neuen Garten weltberühmt machte.“

Ein letztes Schloss

Nach dem Tode Lennés veränderte sich der Neue Garten nur noch unwesentlich. Auch nicht im Zuge des ab 1914 im Park errichteten letzten Privatschlosses der preußischen Hohenzollerndynastie: Cecilienhof. Ein elegantes Anwesen im englischen Landhausstil, das sich sanft und harmonisch in die vorhandene Landschaft einfügte.

Preußens letzter König, Kaiser Wilhelm II., ließ Cecilienhof für seinen ältesten Sohn und dessen Frau, Prinzessin Cecilie, als standesgemäße Residenz erbauen. Das feudale Vorhaben mit 175 Räumen erregte großen Unmut. Denn es wuchs empor, als Millionen auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkriegs verbluteten. Nach der Abdankung des Kaisers hielt das ehemalige Kronprinzenpaar noch bis zum Ende des 2. Weltkriegs im Schloss Hof.

Danach zog die Sowjetische Besatzungsmacht ein, und im Mai 1945 wurde es zum Tagungsort der dritten Gipfelkonferenz der drei Siegermächte, die mit dem berühmten Potsdamer Abkommen und dem Beginn des Kalten Krieges endete.

Nach der Konferenz gelangte der gesamte Neue Garten als Kultur- und Erholungspark in die wenig fürsorgliche Obhut der Roten Armee. Ab 1952 durfte sich dann wieder das Deutsche Brudervolk an dem Park erfreuen. Schloss Cecilienhof wurde zur Gedenkstätte und das Marmorpalais ein Armeemuseum, vor dessen Kulisse ein grau schimmernder Düsenjäger vor sich hin rostete. 1961, im Zuge des Berliner Mauerbaus verlor der ohnehin stark in Mitleidenschaft gezogene Neue Garten noch weiter an Substanz. Ein breiter Landstrich an der Havel wurde als Grenzstreifen abgetrennt und verödete.

Die Deutsche Wiedervereinung 1989 brachte auch für den Neuen Garten die Wende.
Langsam und mit großer Sorgfalt wurde er wieder zu dem, was er einst war. Einer der schönsten und sinnlichsten Landschaftsgärten Europas ……

Mozart
„Ich danke von Herzen Majestät, es war märchenhaft!“

Friedrich Wilhelm
„Sie kommen doch wieder?“

Mozart
„Bestimmt. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht in hundert Jahren.“

Friedrich Wilhelm
„Wie lange es auch dauern mag, ich werde da sein.“