Balthazar Korab fotografiert einen Meilenstein der Architekturgeschichte
Balthazar Korab (*1926 in Budapest; † 2013 in Royal Oak, Michigan) war einer der bedeutendsten Architekturfotografen der amerikanischen Nachkriegsmoderne bzw. des „Mid-Century Modernism“.
Korab, geboren und aufgewachsen in Budapest, flüchtet 1949 vor den Kommunisten nach Paris und studiert Architektur an der Ecole des Beaux. Sein fotografisches Talent wird von Le Corbusier entdeckt und gefördert.
1955 emigriert Korab der Liebe wegen nach Amerika. Sein erster Auftraggeber ist der finnisch-amerikanische Architekt und Designer Eero Saarinen. Für ihn fotografiert Korab das zwischen 1949 und 1955 errichtete General Motors Technical Center in Warren bei Detroit. Ein gigantischer Campus für alle Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen des Konzerns. Saarinen schuf damit einen Meilenstein moderner Industrie- und Gewerbearchitektur – und zugleich ein mächtiges Symbol der Größe und Dynamik Amerikas nach dem zweiten Weltkrieg.
Das als The Versailles of Industry gepriesene GM Technical Center ist eine einzigartige Synthese von modernistischer Eleganz, hoher Funktionalität, neuartigen Bautechniken und einer umfassenden Landschaftsgestaltung. Etwa die Hälfte des 1,3 Quadratkilometer großen Areals besteht aus Rasenfläche. Zudem werden 32.000 Bäume gepflanzt. Im Zentrum lässt Saarinen einen 8,9 Hektar großen See anlegen, aus dem vier Inseln und ein 43 Meter hoher Wasserturm ragen.
Die Architektur der insgesamt 25 Campus-Gebäude ist von der Formensprache Mies van der Rhoes inspiriert. Alle sind in Fertigbauweise aus Stahl, Aluminium und Glas errichtet und nicht höher als 3 Stockwerke. Der strengen äußeren Geometrie setzt Saarinen organische Materialien und Konstruktionen im Inneren der Gebäude entgegen. Holz furnierte Wandmodule, Natursteinböden, nahezu schwebende Treppen.
Ein Hauptmerkmal sind Wände aus glasierten Ziegeln. Farbe und Glasur sollen, so Saarinen, an Herbstblätter erinnern, die die Nachmittagsonne reflektieren. Um diesen Effekt annähernd zu erzielen, konstruieren GM-Techniker einen eigenen Brennofen. Auch in anderen Bereichen, etwa im Trockenbau, im Lichtdesign und der Fenstertechnik, ermöglicht das „Knowhow“ des Autogiganten wegweisende Innovationen und Lösungen.
Das auffälligste Gebäude ist der Design Dome. Eine Kathedrale des Automobils, dessen strahlende Kuppel mit 9,5 mm dünnen Aluminum-Platten verkleidet ist. Im Verhältnis entspricht das der Schale eines Eis. Seit 1955 wird im Design Dome Autogeschichte geschrieben. Denn bis heute entscheidet sich dort das Schicksal aller Prototypen. Oder mit den Worten von GM: Where Today Meets Tomorrow.
Unsere Empfangsdame in Gelb fotografiert Korab in der Lobby des Design Centers. Neben dem Design Dome das repräsentativste Gebäude im Versailles of Industry. In Kombination mit dem von Eero Saarinen entworfenen Empfangstisch konnte General Motors seine Besucher nicht eleganter willkommen heißen.
Noch heute erfüllt das GM Technical Center seine Aufgabe. Dabei hat sich die Mitarbeiterzahl von ursprünglich 4.000 auf 21.000 erhöht. Die Bedeutung wird auch in der 2003 abgeschlossenen Renovierung deutlich. Sie kostete das Doppelte der ursprünglichen Baukosten: eine Millarde Dollar.
Der anschließende Link führt zur Fotogalerie. Alle Bilder stammen aus der Korab Collection der Library of Congress in Washington.